ADHS bei Erwachsenen
Mehr als nur das Zappelphilipp-Syndrom
Hinter dem Kürzel ADHS verbirgt sich die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Diese häufig anlagebedingte neurobiologische Besonderheit des Gehirns zeigt sich bereits im Kindesalter und kann auch bei Erwachsenen fortbestehen. Weltweit sind etwa 4 % der Kinder und Jugendlichen und ca. 2 % Prozent aller Erwachsenen betroffen.
Mehr zur ADHS erfahren Sie im nachfolgenden Text. Die Informationen auf dieser Seite sind natürlich nicht als Ersatz für ein persönliches Beratungs- oder Diagnosegespräch gedacht.
Anmerkung: Diversität und Geschlechtergerechtigkeit sind mir überaus wichtig. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass ich aus Gründen des Leseflusses nicht immer eine genderneutrale Formulierung verwende. Selbstverständlich sind stets alle Geschlechter und Identitäten gemeint.
Ist ADHS eine Krankheit?
Bei ADHS handelt es sich in erster Linie um eine Besonderheit in der Struktur und Signalverarbeitung des Gehirns und nicht zwangsläufig um eine Krankheit. Erst wenn eine nennenswerte Einschränkung in der Lebensqualität und -führung besteht, wird ADHS als behandlungswürdige Störung gesehen. Die Mehrzahl der Betroffenen hat entweder milde oder sogar keine Symptome. Rund ein Drittel der Betroffenen leiden jedoch unter ihrer ADHS, vor allem bei Stress, Über- oder Unterforderung.
Um ADHS bei Erwachsenen zu diagnostizieren, muss die Störung bereits im mittleren Kindesalter (i. d. R. vor dem 12. Lebensjahr) aufgetreten sein. Hier zeigt sie sich entweder in leichter Ablenkbarkeit, in stillem, tagträumerischem Verhalten oder in übermäßig hohem Bewegungsdrang (Hyperaktivität), manchmal sogar in aufsässigem und impulsivem Verhalten. Einigen Kindern mit ADHS fällt es schwer stillzusitzen, andere haben Probleme damit, konzentriert dem Unterricht zu folgen. Wieder andere sind häufig in Raufereien verwickelt und geraten immer wieder in Konflikte mit Eltern, Lehrern oder anderen Autoritäten.
Das Symptombild ist also recht vielgestaltig. Nicht zuletzt deshalb wird eine ADHS bei Kindern und Jugendlichen nicht selten übersehen, was bei Fortbestehen der Erkrankung im Erwachsenenalter zu falschen Diagnosen und jahrelanger Fehlbehandlungen führen kann.
Neben einer gründlichen Anamnese helfen standardisierte Fragebögen zur Selbstbeurteilung, psychologische Interviews und die Befragung von Angehörigen bei der Sicherung der Diagnose.
Was sind die Symptome von ADHS?
Die Symptome einer ADHS bei Erwachsenen zeigen sich mitunter sehr vielgestaltig, insbes. in Bezug auf mögliche Begleiterkrankungen, so genannte Komorbiditäten: Nicht selten kommt es im Verlauf einer ADHS zu depressiver Stimmung, Ängsten, Essstörungen, dem Missbrauch von Substanzen oder zu impulshaftem Verhalten (z. B. Kaufsucht, Zwänge, etc.).
Einige Patienten berichten davon, jahrelang wegen Ängsten oder Depressionen in Behandlung gewesen zu sein, und selbst unter der Gabe von Psychopharmaka habe keine nennenswerte oder dauerhafte Besserung stattgefunden. Erst nachdem eine ADHS diagnostiziert worden und diese adäquat behandelt worden sei, hätten sich auch die anderen Symptome gebessert.
Nach den aktuell gültigen ICD-11-Kriterien der WHO werden drei ADHS-Varianten unterschieden:
- ADHS – gemischtes Erscheinungsbild
Vorliegen einer situationsübergreifenden Störung der Aufmerksamkeit bei gleichzeitiger Impulsivität und Hyperaktivität - ADHS – vorwiegend unaufmerksames Erscheinungsbild:
Vorliegen einer situationsübergreifenden Störung der Aufmerksamkeit - ADHS – vorwiegend hyperaktiv-impulsives Erscheinungsbild
Vorliegen einer situationsübergreifenden Hyperaktivität und Impulsivität
Die inzwischen als veraltet geltenden Bezeichnungen „hyperkinetisches Syndrom“ und „einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung“ wurden in der 11. Auflage der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten (ICD) überbegrifflich als „Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS)“ zusammengefasst. Die in der Alltagssprache häufig anzutreffende Unterscheidung zwischen einer ADS (also ohne Hyperaktivität) und einer ADHS ist in Fachkreisen nicht gebräuchlich.
Bin ich von einer ADHS betroffen?
Anhand der nachfolgenden sechs Aussagen können Sie überprüfen, ob bei Ihnen ein berechtigter Verdacht auf das Vorliegen von ADHS besteht. Falls mindestens drei der genannten Punkte im vergangenen halben Jahr entweder oft oder sehr oft auf Sie zutrafen, sollten Sie sich genauer untersuchen lassen:
- Es fiel mir schwer, bei nahezu fertigen Aufgaben die letzten Feinarbeiten zu erledigen.
- Anspruchsvolle Aufgaben und planungsintensive Projekte bewältigte ich nur schlecht.
- Ich vergaß Termine, Abmachungen, Rückrufe oder Verabredungen.
- Anstrengende Aufgaben zögerte ich entweder hinaus oder vermied sie ganz.
- Meine Hände und Füße waren bei längerem Sitzen nahezu ständig in Bewegung.
- Ich fühlte mich übermäßig aktiv, als wäre ich von einem Motor angetrieben.
Wo kann ich mich auf ADHS testen lassen?
Bedauerlicherweise gibt es in Deutschland nur wenige ADHS-Fachambulanzen, die sich auf die Diagnose von ADHS im Erwachsenenalter spezialisiert haben. Hinzu kommen häufig lange Wartezeiten und zuweilen auch langwierige Diagnoseprozesse.
Ihr Hausarzt, ein Facharzt für Psychiatrie oder ein Therapeut mit entsprechender fachlicher Erfahrung können eine erste Anlaufstelle sein.
Gerne können Sie sich auch in meiner Praxis zu ADHS beraten und genauer testen lassen. Zur Terminvereinbarung klicken Sie bitte hier.
Wo finde ich weitere Hilfe?
Beratungsangebote (auch online) und eine umfassende Auflistung von Selbsthilfegruppen finden Sie bei ADHS Deutschland e. V.: https://www.adhs-deutschland.de/Home.aspx
Bitte beachten: Sofern Sie eine medikamentöse Begleittherapie wünschen, muss zusätzlich eine psychiatrische Facharztpraxis aufgesucht werden.